Wie ein paar Schleswig-Holsteiner die Kulturen des Alten Orients begründeten...

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Um seine Hypothese zu stützen, muß Braasch nämlich von einer jahrtausendelangen Isolation der nordeuropäischen Bevölkerung ausgehen, und er behauptet denn auch folgerichtig, daß zwischen 9000 und 3000 v.Chr. in dem fraglichen Gebiet keinerlei Bevölkerungsverschiebung erfolgte. Diese Isolation wird auf S.25-26 mit der Undurchdringlichkeit der norddeutschen Sümpfe und Urwälder, sowie der "Barriere" der deutschen Mittelgebirge begründet.
Nun entspricht dieses Bild aber einem Irrtum, der hauptsächlich auf römischen Schriften beruht, die Germanien als besonders unwirtlich und abschreckend darstellen wollten. Wäre das wirklich so gewesen, hätten auch die späteren germanischen Stämme kaum eine Kommunikationsmöglichkeit untereinander gehabt. Man bedenke, daß die Kelten noch bis ins 2.Jh.v.Chr. (und in England noch später) den Streitwagen benutzten, dessen Wirkung sich nur in halbwegs offenem Gelände entfalten konnte.
Eine solche Isolation ist auch archäologisch nicht haltbar. Neuere Forschungen gehen davon aus, daß die nordischen Neolithkulturen sich unter Einfluß der Bandkeramik/Rössen entwickelt haben. Und es spricht einiges dafür, daß die Verbreiter der La Hoguette Keramik schon früh Kontakte bis in das Ostseegebiet hatten.
Die neolithische Glockenbecherkultur gelangte von Südwesten in den Norden. Und auch die Kammkeramik breitete sich von Osten nach Westen über die norddeutsche Tiefebene und bis nach Skandinavien aus.
Alles neolithische Kulturen, die sich nachweislich zu Zeiten der von Braasch postulierten "Isolation" in Norddeutschland überlagerten.

"Es wird bislang angenommen, daß die Techniken des Ackerbaus (...) im Norden der Steinzeit noch nicht bekannt waren. Für den Archäologen erscheinen die Dolmenbauer im vierten Jahrtausend noch als primitive Sammler und Jäger".(S. 12)

Bereits hier stoßen wir auf das Grundproblem des Buches schlechthin, das uns immer wieder begegnen wird: Herr Braasch hat offensichtlich die Forschungsergebnisse der letzten vierzig Jahre nicht zur Kenntnis genommen.
Denn die "Megalithiker", um die es dem Verfasser vordringlich geht, waren sehr wohl Ackerbauern. Er läßt sie aber ausschließlich der Rinderzucht obliegen und begründet das mit den idealen Bedingungen:
weite Grasflächen in parkähnlicher Landschaft ("dänische Verhältnisse"). Wo sind denn jetzt auf einmal die undurchdringlichen Sümpfe und Urwälder geblieben?
Ab S.39 sind die Megalithiker nun gänzlich zu frei umherschweifenden, rinderzüchtenden Jägernomaden mutiert, und die Negierung des Ackerbaus gipfelt in dem Argument:

"Wenn es aus geographischen Gründen keine erreichbaren Nachbarn gibt (...), wer soll dann unterworfen werden? Wenn im Krieg keine Sklaven erbeutet werden können, wer soll dann die mühselige Bestellung der Felder übernehmen?" (S.41)

Ein Kommentar zu diesem Zitat erübrigt sich eigentlich, denn daß Ackerbau zur Selbstversorgung ohne Sklaven überall auf der Welt die Regel und nicht die Ausnahme war und ist, sollte auch historischen Laien völlig ersichtlich sein.
Umherschweifende Wanderhirten wären auch kaum in der Lage gewesen, die z.T. riesigen Megalithbauten zu errichten. Ich rede hier nicht von den einfachen Dolmen aus fünf Steinen, sondern von jenen erstaunlichen Konstruktionen (Newgrange, Carnac, Malta), die doch etwas mehr Arbeitskraft, guter Kenntnisse der Statik und zentraler Organisation bedurften. So etwas ist nicht das Werk zufällig vorbeiziehender Nomaden. In diesen riesigen Ganggräbern wurden ganze Generationen bestattet, und zusammen mit den ackerbaulichen (!) Grabbeigaben und der Keramik deutet all das ganz eindeutig auf eine seßhafte und ackerbauende Bevölkerung hin. Daß sie gleichzeitig auch Viehzucht betrieben haben, will kein Mensch bestreiten.

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