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Wie ein paar Schleswig-Holsteiner die Kulturen des Alten Orients begründeten...

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Das eigentliche Ziel Braaschs ist die Rekonstruktion einer/der Urreligion.
Ein ehrenhaftes Unterfangen, und über diese Religion würden wir alle gerne mehr wissen. Aber das muß reine Spekulation bleiben, solange keine schriftlichen Quellen vorliegen.
Ich könnte mir z.B. drei völlig verschiedene Religionen ausdenken und hätte nicht die geringste Schwierigkeit, alle bronzezeitlichen Felsritzungen samt Spiralen darin unterzubringen. Das Beispiel soll nur zeigen, wie unbelegbar solche Konstruktionen zwangsläufig sein müssen.
Man stelle sich einmal vor, eine zukünftige Archäologie müßte die christliche Religion erklären, hätte dazu aber keinerlei Schriftquellen, sondern lediglich die Ausstattung der Kirchen zur Verfügung (was schon weit mehr wäre, als wir für die Bronzezeit und früher haben!). Man würde mit Sicherheit zu skurril anmutenden Ergebnissen gelangen.

Wir können mangels Quellen nichts über eine megalitische Religion wissen.
Ja, es ist - in naturwissenschaftlichem Sinn - nicht einmal beweisbar, daß die Megalithbauer überhaupt eine Religion hatten.
Methodisch besonders schlimm ist es nämlich, daß die Existenz einer (!) "megalithischen Naturreligion", deren Existenz erst einmal bewiesen werden müßte, einfach als gegeben vorausgesetzt wird.
"Naturreligion" ist bei all dem kein wissenschaftlicher Begriff.
Es gibt Religionen nur innerhalb einer Kultur, somit nur "Kulturreligionen", und diese können auch bei identischer materieller und soziologischer Ausgangslage sehr verschieden sein, wie bereits ein erster Blick in religionsethnologische Grundlagenwerke und die Diskussion um die Definition von Religion klarmacht.
< Wenn man DIE Urreligion sucht, ist man in der Megalithzeit sowieso zu spät dran. Die müßte spätestens im Jungpaläolithikum zu suchen sein.
Bereits die Hersteller der berühmten europäischen Höhlenmalereien müssen eine differenzierte Religion gehabt haben, die z.B. denen der Indianer des 19.Jahrhunderts in nichts nachgestanden haben dürfte.

An dieser Stelle muß ich einmal in aller Deutlichkeit konstatieren, daß kein Mensch die Möglichkeit kultureller Kontakte zwischen altorientalischen und indogermanischen Völkerschaften leugnet. Keiner bestreitet, daß hier auch der Austausch religiöser Ideen stattgefunden haben kann.
Hier bieten sich vielfältige Schnittstellen an:
ein sehr früher Kontakt der noch ungeteilten Indogermanen mit dem Orient (den Braasch aufgrund seiner Gleichsetzung von Indogermanen und norddeutschen Megalithikern natürlich ausschließen muß),
die lebhaften kulturellen Beziehungen zwischen der ägäischen/frühgriechischen Welt mit Ägypten,
die frühe Präsenz der Indogermanen in Anatolien (Hethiter, Luwier usw.), sowie die jahrhundertelange Herrschaft der Perser über den Orient (z.B. wanderten erst zu dieser Zeit apokalyptische Vorstellungen aus Persien nach Palästina).

Die Kritik richtet sich hauptsächlich dagegen, daß Braasch an allen realen Möglichkeiten vorbei zielsicher diejenige ausgesucht hat, die mit Abstand am bizarrsten ist und die sich (wie konstant aufgezeigt wurde) am einfachsten widerlegen läßt.
Die Theorie ist im wesentlichen auch nicht neu.
Vom Grundsatz her ähnelt sie dem Weltbild Hermann Wirths und seiner Urlichtreligion aus dem Norden. Auch die Bücher von Wilfried P.A. Fischer ("Alteuropa in neuer Sicht", Münster 1984) und Otto S. Reuter ("Das Rätsel der Edda und der arische Urglaube", Bad Berka 1923) nehmen den ganzen Themenkatalog des Braasch'en Weltbildes bereits vorweg, das Buch von Fischer sogar in sehr viel überzeugenderer Argumentation, da hier der ganze Bezug auf die Megalithiker abgelehnt wird und eben die frühe Ägäis eine entscheidendere Rolle spielt, was - wenn überhaupt - auch sehr viel wahrscheinlicher ist.

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